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Freitag, 14.02.2025 11:24 - Alter: 34 Tage

Stellungnahme des ExpertInnenrats der Bundesregierung „Gesundheit und Resilienz“ zum Thema „Prävention und Gesundheitsförderung durch Entstigmatisierung“

Ende Januar hat der ExpertInnenrat „Gesundheit und Resilienz“ der Bundesregierung seine zehnte Stellungnahme zum Thema „Prävention und Gesundheitsförderung durch Entstigmatisierung“ mit besonderem Fokus auf psychische Erkrankungen und (Alkohol)Sucht veröffentlicht. Darin werden insbesondere die vielschichtigen kommunikativen Herausforderungen adressiert. Prof. Dr. Eva Baumann, Professorin am IJK und Leiterin des Hanover Center for Health Communication, hat diese Stellungnahme im ExpertInnenrat initiiert, bevor sie – wie alle Stellungnahmen – in mehreren Runden eingehend diskutiert, weiterentwickelt und abgestimmt wurde.

Stigmatisierung beschreibt einen Prozess der Abwertung von Menschen, indem ihnen – z. B. aufgrund einer psychischen Erkrankung – negative Eigenschaften – z. B. Willens- und Charakterschwäche – zugeschrieben werden und sie in der Folge sozial ausgegrenzt werden. In vielen Krankheitskontexten stellt das Stigma ein weitreichendes gesundheitliches und gesellschaftliches Problem dar – nicht nur für die Erkrankten selbst, sondern auch für ihre Angehörigen und jene, die in Prävention und Versorgung tätig sind, beispielsweise in der Suchtberatung oder Psychiatrie.

Prof. Dr. Eva Baumann betont: „Prävention und Gesundheitsförderung wirken nur, wenn Stigmatisierung im privaten, schulischen und beruflichen Umfeld sowie in der Gesundheitsversorgung reduziert wird. Das gilt besonders für psychische und psychosomatische Erkrankungen wie Sucht, Essstörungen oder Adipositas. Denn Abwertung und Ausgrenzung aufgrund einer Erkrankung kann wie eine zweite Krankheit wirken und hat gravierende weitere Folgen. Kommunikation ist hier ein Schlüssel. Es gilt, das eigene Schubladendenken zu hinterfragen, Tabus zu brechen und die nötigen Rahmenbedingungen zu schaffen. Dafür sind geeignete Kommunikationsansätze ebenso wichtig wie ein Veränderungswille von uns allen – auch von politischen Entscheidungsträgern. Aber es lohnt sich und zahlt sich aus“.

Der ExptertInnenrat betont in der Stellungnahme, dass Maßnahmen zur Entstigmatisierung nicht nur auf individueller, sondern insbesondere auf sozialer und politischer Ebene und bei allen Akteuren – einschließlich der im Gesundheitssystem Tätigen – ansetzen muss. Er empfiehlt, konkret auf vier Ebenen anzusetzen:

1. Entstigmatisierung in sozialen Settings aktiv fordern und fördern – in Bildungseinrichtungen sowie in Freizeit- und Arbeitskontexten

2. Politische Rahmenbedingungen für mehr Chancengleichheit und effektive Prävention schaffen – durch besseren Zugang zu Hilfsangeboten und stärkere Regulierung, z. B. im Hinblick auf Werbung und Verkauf von psychoaktiven Substanzen

3. Gesellschaftlichen Wandel gestalten – durch eine Kommunikationsstrategie, die Bewältigungsressourcen und Empathie fördert

4. Evidenz verbessern – durch Schaffung einer umfassenden Datenlage zur Stigmatisierung, ihren gesundheitlichen und sozialen Folgen sowie zur Wirksamkeit von Maßnahmen zur Entstigmatisierung

Eine Textfassung der Stellungnahme mit Quellenverweisen stellen wir auf Nachfrage gerne zur Verfügung.

Am Hanover Center for Health Communication des IJK wird bereits seit vielen Jahren in interdisziplinären Kooperationen zur Kommunikation im Kontext von Stigmatisierung und Resilienzförderung mit Blick auf psychische Gesundheit und Krankheit geforscht. So entstand beispielsweise im Rahmen des Projekts FairMediaSUCHT ein Leitfaden zur stigmafreien Mediendarstellung von Menschen mit Suchterkrankungen. Zudem wurden in einem von der Fritz-Thyssen-Stiftung geförderten Projekts die Haltungen zu Menschen mit psychischen Erkrankungen in einer sich polarisierenden Gesellschaft untersucht.

In einer Kooperation mit der Resilienzinitiative der Pfalz wurde eine Kommunikationsstrategie zur Schaffung eines neuen Denkrahmens zu seelischer Gesundheit erarbeitet, um ein Gegengewicht zu einem krankheitszentrierten Denken einschließlich der Stigmatisierungsdynamiken zu setzen. Auch im Projekt „BiPsy – Monitor Bildung und Psychische Gesundheit“ widmen wir uns der Angst vor Stigmatisierung sowie stigmatisierenden Erfahrungen als eine Barriere der Inanspruchnahme von psychosozialer Hilfe im Kontext Schule. Frisch als Buch erschienen und passend zum Thema ist außerdem die Dissertation von [HC]²-Mitglied und IJK-Mitarbeiterin Dr. Anna Freytag mit dem Titel „Stigmatisierende Kommunikation - Eine theoretische Konzeptualisierung gruppenbezogener abwertender Kommunikation.“.

Zuletzt bearbeitet: 20.09.2022

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