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Freitag, 03.04.2020 19:00 - Alter: 4 Jahre

Corona und die Wissenschaft: Statement zur aktuellen Welle der COSMO-Studie

Ob in den Massenmedien, in sozialen Netzwerkmedien oder im persönlichen Gespräch – das Thema Corona ist allgegenwärtig. Doch wie passen Menschen in Deutschland ihr Verhalten an die aktuelle Bedrohungslage durch das SARS-CoV-2-Virus an? Was wissen sie über das Virus und wie schätzen sie das Risiko einer Infektion ein? Und welche Faktoren beeinflussen die Menschen in ihrem aktuellen Handeln?

Diesen und vielen weiteren Fragen geht das COSMO-Konsortium  in wöchentlichen Online-Befragungen nach. IJK-Direktorin Prof. Dr. Eva Baumann diskutiert in ihrem Statement zur vierten Welle der COSMO-Studie unterschiedliche Faktoren, die das Gesundheitsverhalten von Menschen beeinflussen und vor welche Herausforderungen uns dies in der Risikokommunikation stellt. Sie betont, dass man das Schutzverhalten nur dann nachhaltig beeinflussen kann, wenn „Verständnis und Akzeptanz der Botschaften sowie Vertrauen in die Inhalte und Quellen“ gegeben sind und dass es auch im Kontext der Corona-Krise keine „One-size-fits-all-Kommunikationsstrategie gibt“.

Das gesamte Statement von Prof. Dr. Eva Baumann zur aktuellen Welle der COSMO-Studie:
„Ob in den Massenmedien, in sozialen Netzwerkmedien oder im persönlichen Gespräch – Corona ist Thema Nummer 1. Fehlinformationen und Falschmeldungen mischen sich unter evidenzbasierte Informationen und werden zum Teil genutzt, um Unsicherheiten und Ängste zu schüren. Wer also die Menschen in der aktuellen Lage zu einem bestimmten Verhalten motivieren will, wird – wenn es nicht gelingt, ganz oben auf der medialen Agenda zu landen –, bereits daran scheitern, dass diejenigen, die man erreichen will, gar nicht verlässlich erreicht werden.“

„Wenn diese Hürde genommen ist und man eine nachhaltige Verhaltensänderung erwirken will, wird dies nur über Verständnis und Akzeptanz der Botschaften sowie Vertrauen in die Inhalte und Quellen funktionieren. Die Menschen müssen also der Meinung sein, dass das empfohlene Verhalten sinnvoll und nützlich ist – für sie selbst, aber eben auch für andere. Die Botschaften sollten außerdem möglichst zu dem passen, was die Menschen in ihrem sonstigen sozialen und medialen Umfeld wahrnehmen. Denn wir treffen unsere Entscheidungen nicht im luftleeren Raum. Wir orientieren uns an anderen, also daran, wie sich relevante Bezugspersonen verhalten, welche Erwartungen und Einstellungen unserer Peers oder anderer Autoritätspersonen wir wahrnehmen und wie wichtig uns diese sind. Auch richten wir unser Verhalten daran aus, was honoriert oder sanktioniert wird und welche Risiken mit welchem Verhalten eingehen. Hinzu kommt, dass man sich selbst in der Lage sehen muss, das empfohlene Verhalten auch zu praktizieren und daran glaubt, dass es zum gewünschten Ziel führt. Diese Überzeugungen müssen so stark sein, dass man bereit ist, hierfür auch einen – im Fall sozialer Distanz und massiver Einschränkungen der individuellen Freiheit sehr hohen – Preis zu zahlen. Wenn die Abwägung, wie strikt man sich die Empfehlungen oder Anweisungen hält, eher rational erfolgt, wird dies wahrscheinlicher sein, wenn der erwartete Nutzen höher ist als die empfundenen Kosten. Bei einer eher heuristischen Informationsverarbeitung werden dagegen eher emotional ansprechende Botschaften eine Wirkung entfalten.“

„Eine One-size-fits-all-Kommunikationsstrategie gibt es in diesem Fall wie auch in allen anderen Themen nicht, denn die Menschen ticken zum Glück unterschiedlich. Es wird also stets von der individuellen Disposition und vom persönlichen sozialen Kontext, von der aktuellen Lebenslage, den Problem- und Risikowahrnehmungen, von den eigenen Einstellungen und Überzeugungen, vom Gefühlszustand, aber auch von Persönlichkeitsstrukturen abhängen, auf welchen Überzeugungsversuch welche Menschen wie reagieren. Wer sich gerade mit eigenen Existenzängsten trägt, braucht andere Informationen als jemand, der sich in weitgehender Sicherheit wiegt. Wer die Bedrohung unterschätzt, der könnte zum Beispiel durch Furchtappelle aufgerüttelt werden und die für eine Verhaltensänderung nötige Risikowahrnehmung entwickeln. Wer aber ohnehin sehr ängstlich und besorgt ist, der wird potenziell beängstigende Botschaften abzuwehren versuchen oder hierauf gar panisch reagieren. Es ist also kompliziert und herausfordernd, aber es ist naiv anzunehmen, die Menschen würden gleichförmig auf Informationen reagieren – erst recht nicht, wenn sie im Krisenmodus sind.“

„Die COSMO-Daten sind eine sehr gute Chance, diese hochgradig dynamische Entwicklung nachzuvollziehen und einen Überblick über die empirische Bedeutung einzelner verhaltensrelevanter Faktoren zu behalten. Auch können sie helfen, die subjektiven, quasi-statistischen Wahrnehmungen aus dem eigenen sozialen Kontext oder das in verschiedenen Medien vorherrschende Bild zu erklären oder auch zu relativieren. Hilfreich wäre es daher, die Befragungsdaten mit weiteren Verlaufsdaten, wie den epidemiologischen Statistiken oder auch einem Medienmonitoring, zu vergleichen.“

„Ganz konkret zeigen die Daten beispielsweise auf, dass die Besorgnis in der Bevölkerung stärker ansteigt als die Risikowahrnehmung. Auch führen sie uns die Diskrepanz von Wissen und Verhalten vor Augen, die zwar theoretisch seit langem bekannt und gut erforscht ist, aber in der Praxis immer wieder außer Acht gelassen wird – vielleicht auch, weil man es sich als Expert*in und Kommunikator*in schlicht anders wünscht. Ein hohes Wissen über Risiken und Schutzmöglichkeiten geht also nicht unbedingt mit dem entsprechenden Schutzverhalten einher. Folglich werden auch rein auf Informationsvermittlung ausgerichtete Kommunikationsstrategien, wenn sie eine Verhaltensänderung hervorrufen wollen, nicht verlässlich zum Ziel führen.“

Weitere Statements und Informationen zur Studie finden Sie unter www.sciencemediacenter.de/alle-angebote/rapid-reaction/details/news/live-umfrage-zum-schutzverhalten-der-bevoelkerung-vor-sars-cov-2/ sowie auf der Website des Konsortiums: cosmo.sciencemediacenter.de


Zuletzt bearbeitet: 15.02.2021

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